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Schreiende Steine.

"Schreiende Steine".

Mixed media on Canvas.

40 x 40 cm.

 

Gewidmet den Menschen, die sich die Stimme nicht verbieten lassen.

 


Inspiriert durch Christina Brudereck, "Ameisenstraße" aus dem Album 2Flügel:

 

Thura, ein Birmane im indischen Exil

ein Journalist meinte:

Das Schlimmste für mich ist, dass sie alle Texte zensieren.

Alles, was zu Papier gebracht wird, muss,

bevor es zur Veröffentlichung freigegeben wird,

erst in ein zentrales Büro für Publikationen geschickt werden, eingereicht zur Kontrolle, damit die Bevölkerung

bloß nicht mit gefährlicher Wahrheit versorgt wird.

Aber ein Text, der ausdrücken oder auch nur andeuten würde, was ich denke, hätte keine Chance,

diesen Akt der Säuberung zu überstehen.

Dann könnte ich meine Worte auch gleich

in Kreide auf die Steine vor dem Regierungsgebäude schreiben und warten, bis sie mit einem Eimer mit Seifenlauge kommen,

um zu testen, ob meine Worte wasserfest sind. 

 

Und dann teilte der gläubige Mann

eine Beobachtung mit seinen Vertrauten:

Als ich neulich die Straße herunter spaziert bin,

standen die Kinder alle zusammen

und bestaunten eine Ameisenstraße.

Sie schlängelte sich quer über den Weg

aus dem hohen Maisfeld bis auf die Seite mit den Häusern,

an Steinen vorbei und anderen Hindernissen.

Die Kinder beobachteten sehr genau

und bemerkten, dass die Ameisen in zwei Richtungen liefen.

Die lachten als sie sahen, dass jede einzelne

die entgegenkommende Ameise kurz berührte und riefen:

‚Sie überreichen sich etwas’ und ‚Nein, sie begrüßen sich’

und ‚Ich glaube, sie küssen sich’…

Es war schön, ihnen zuzuhören.

 

Und ich, in Gedanken ganz bei der Freiheit

Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Reisefreiheit

 - geht eine, gehen sie alle –

fragte mich:

Ob die Ameisen

ein Bild für Macht und Militärherrschaft sind?

Ein Bild, das mir eine angepasste engstirnige Armee zeigen wollte?

Oder ob, im Gegenteil, dieses Wunder der Natur

mir Hoffnung geben durfte, als Zeichen dafür,

dass eine Gemeinschaft aus Verbündeten

sich immer ihren Weg suchen wird?

 

Ich entschied mich für die zweite Sichtweise, und dachte:

Kunst, Theater, Musik und Literatur, Schreiben,

Singen, Tanzen, Gestalten, Erzählen, Beten –

das alles ist lebenswichtig für uns Menschen,

deshalb kann man es auch niemals auf Dauer verbieten.

Ich dachte an den Menschen aus Nazareth, der mich inspiriert wie kein zweiter, und der einmal gesagt hat:

‚Wenn die Menschen schweigen

oder zum Stillschweigen gebracht werden

dann – werden die Steine schreien.’

 

Es wird zu viel geschwiegen.

Die Gewohnheit legt sich wie eisige Stille über uns.

Die Angst legt unsere Worte in Ketten.

Viele Stimmen sind verstummt.

Ihre Hilflosigkeit macht viele Menschen sprachlos.

Viele werden verurteilt, noch bevor man sie überhaupt angehört hat.

Die Wut kann so müde werden mit der Zeit.

 

Aber wisst ihr was?

Wenn die Menschen schweigen, werden die Steine schreien.

Wenn es keine Bücher gibt,

dann werden die Ameisen den Kindern Geschichten erzählen.

Geschichten von einer Gemeinschaft, die sich ihren Weg sucht

über alle Hindernisse hinweg.

Wenn es keine Konzerte gibt,

wird jeder trotzige Schrei eines Babys nach Milch

zu einer Hymne, die das Leben besingt.

Wenn es keine Ausstellungen gibt

ist jede Gewitterwolke ein Gemälde,

das eine prophetische Botschaft enthält,

und jeder Sonnenaufgang ein Bild für Ausdauer und Schönheit.

Das Feuer im Ofen lässt die Funken überspringen für uns.

Jede Ruine ist schon jetzt ein Denkmal

das an Krieg, Zerstörung und Ignoranz erinnert.

Am frühen Morgen hören wir die Symphonie

der Vögel, Frösche und Grillen

und das Orchester der Schöpfung erinnert uns an das Paradies.

Jeder Stern zwinkert uns zu

und wir wissen, der Himmel ist nicht leer,

und keine unserer Bitten ist Gott schnuppe.

Die süßen Mangos sind die Gedichte unserer Epoche

die uns zeigen, dass die Zeit reif ist

und wenn sie überreif ist, wird die Frucht einfach vom Baum fallen

 

Und wenn Kirchen eingerissen werden und Türme,

die bronzenen Glocken eingeschmolzen,

wird doch niemand verhindern können,

dass unsere Herzen immer wieder die Hoffnung einläuten.

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